Gedanken zum schamanischen Weltbild

Eva-Elisabeth Bouizedkane

 

Bei den folgenden Gedanken handelt es sich um Erkenntnisse, die aus den Erfahrungen meiner schamanischen Arbeit gewachsen sind. Sie sind also durchaus subjektiv.

 

     Definition: Was verstehe ich unter Schamanismus

 

Schamanismus ist eine Lebens- und Geisteshaltung, die auf Beobachtung, Erfahrung, Erkenntnis und Anwendung der Erkenntnisse im Alltag beruht.                                                                                                                 Die Grunderkenntnis beruht auf Beobachtung der Natur, und der Anerkenntnis, dass sie Gottes gesamte Weisheit widerspiegelt. In der Natur gibt es nichts Böses, Unsinniges, oder Überflüssige. Alles greift sinnvoll ineinander um Leben für alle zu ermöglichen. In der Natur gibt es keine Bewertungen!!!!

Der schamanische Blick auf die Welt anerkennt die Allgegenwart Gottes in allem, was lebt. Für mich bedeutet diese Erkenntnis, dass das Bibelwort : Gott ist allgegenwärtig vollkommen richtig ist. Heute wissen wir, dass alles lebt, weil alles auf Schwingung und Energiefluss beruht. Wir wissen, dass Materie nichts anderes  ist, als verdichtete Energie, verdichteter Geist. Geist und Gott sind eins.

Daraus ergibt sich das uralte schamanische Wissen, dass mit allem Kontakt aufgenommen werden kann, weil alles Gott ist. Er kann in jeder materiellen Ausdrucksform erkannt und angesprochen werden.

Weitere Grundgedanken

 

Aus der Erkenntnis, dass alles Gott ist, ergibt sich für mich:       

                                                                                             

Alles was geschieht ist sinnvoll und muss in seiner Bedeutung erkannt werden, damit es im Einklang mit der höheren Weisheit verändert werden kann. Dafür gibt es in den Schamanischen Heilweisen unendlich viele Techniken und Rituale. Diese können in ihrer Tiefe und Anwendung aber nur verstanden werden, wenn die oben genannten Grundgedanken nicht nur verstanden sondern auch verinnerlicht sind. Wenn sie von erlernten Techniken und angelernten Weisheiten zur Lebenshaltung geworden sind, die dem Anwender (Schamanen) einen tiefen Frieden und Zugang zu Weisheit, Wissen und Erkenntnis ermöglicht.

Eine schamanische Grundhaltung dem Leben in allen seinen Ausdrucksformen gegenüber ist nur möglich, wenn die menschliche Tendenz zu (ver)urteilen, zu (be)werten und alles im Sinne von "gut" und "böse" zu sehen, einem tieferen Verständnis gewichen ist, und alles was geschieht, als sinnvoll und im Einklang mit der höheren Weisheit veränderbar, anerkannt ist.

Der durch Erfahrung gereifte Schamane ist zutiefst in Kontakt mit seinem Erleben  und seinen Gefühlen, ohne sich davon beherrschen zu lassen. Er nutzt alle Informations- und Erkenntnisquellen, die erreichbar sind, und hat sein Ego integriert. Er ist sich seines "Mensch seins" mit all seinen Licht- und Schattenseiten vollkommen bewusst, ist aber fähig, höhere Weisheit in sein Denken, Fühlen und Handeln zu integrieren. Er kennt die Stimme seines Egos und kann sie klar von der Stimme der Weisheit unterscheiden. So ist er frei von den Forderungen seines Egos, ohne es zu unterdrücken.

Der Weg zum vollendeten  Schamanen ist lang und setzt intensive Bereitschaft zur Auseinandersetzung  mit sich selbst  und zu ständigem Lernen voraus. Es ist ein Wachstumsprozess und Wachstum braucht  Zeit. Jeder erlernte Schritt muss umgesetzt werden, denn es braucht Erfahrung, um Erlerntes in Verstandenes umsetzten und das Verstandene dann zu integrieren.

Das bedeutet aber auch, dass Schamanismus gelernt werde  kann, Schritt für Schritt, dass der Weg das Ziel ist, und dass es auf den Einzelnen und seinen persönlichen Einsatz ankommt, wie weit der Weg begangen werden kann.

Es bedeutet, dass jeder erlernte Schritt unmittelbar im Leben angewendet werden kann , heilsam für sich und andere, und dass jeder nur selbst fühlen kann, wann er oder sie soweit ist, dass sie sich in die Reihe  der entwickelten Schamanen einreiht. Vorher sind wir eben Schamanenanwärter, Heiler/innen in schamanischer Tradition, Menschen auf dem Weg. Alle gleich wichtig, gleich wertvoll. gleich wunderbar.       

                                                         

Und auch der "fertige" (falls es sowas gibt) Schamane ist genauso wichtig, wertvoll und wunderbar wie alle anderen.  Diese Erkenntnis bedeutet für mich Demut gegenüber dem Leben und seiner Weisheit. Galsan Tschinag, der führende Schamane der Mongolei, besonders des Altai-Gebietes, formulierte es in einem workshop in der SHS so: Es gibt eben kleine und große Schamanen und der Weg vom kleinen zum Großen Schamanen ist lang.  Doch jeder hat seinen Platz und das eine ist ohne das andere nicht möglich!

 

Was zeichnet nun das Schamanische Weltbild besonders aus?

 

Die Welt in der wir, speziell in den mitteleuropäischen und anglo-amerikanischen Kulturen, leben, ist eine Welt der Dualität, des Gut und Böse, der Trennung zwischen mir und anderen. In dieser Vorstellung gibt es immer noch sehr stark die Vorstellung von einer unabhängige Instanz des Bösen, das uns lockt, verführt und vom Wege abbringt. Eine Instanz des Bösen, der wir die Schuld zuschreiben können, wenn es uns schlecht geht, oder wenn uns Dinge widerfahren, die wir nicht verstehen. Wir leben in einer Welt des Urteils, der Strafe, der Verdammung. Wir werden erzogen im Geiste der Konkurrenz, des „besser sein Müssens als…“, des Vergleiches. Wir werden angehalten zu Vorsicht, Misstrauen, Selbstverleugnung und Zurückhaltung. Ein freies Zeigen unserer schönsten Eigenschaften beinhaltet das Risiko von Neid, Missgunst, Ausgrenzung, Einsamkeit……. Menschen werden betrachtet als voneinander und von ihrer Umwelt getrennte Wesen, wo jeder das Recht hat auf Kosten der Anderen für das eigene „Wohlergehen“, für den eigenen Reichtum in materieller Hinsicht zu sorgen.

Wir haben vergessen, dass das nur ein hilfloser und

trauriger Versuch ist,

Sicherheit dort zu finden, wo es sie nicht gibt:

im Außen, im Reich der Materie…

 

Wir alle wissen, wohin das führt. Der derzeitige Zerfall der westlichen Kulturen beruht meiner Ansicht nach auf genau diesen Prinzipien, die auf Angst, Abhängigkeit und Vergleich beruhen

Das schamanische Weltbild sieht alles als Kreis. Egal aus welcher Sicht man schaut: alles ist im Kreis angeordnet und miteinander verbunden. Es gibt nur die Verbindung von allem mit allem!

Der schamanische Kosmos ist eine sinnvolle Anordnung von miteinander in ständiger Beziehung stehenden, vom Göttlichen durchdrungenen Wesen, die letzten Endes ein untrennbares Ganzes bilden. Dies bezieht sich nicht nur auf Menschen, Tiere und Pflanzen, sonder auf alles, was in der Materie und drum herum existiert, denn:

 

Panta rhei - alles fließt, alles schwingt, alles lebt,

alles ist durchdrungen von Gott

 

Schamanen und schamanisch denkende und lebende Völker leben im Geist der Einheit. Sie leben in einem gesegneten Universum, in dem die Kräfte der materiellen und der nicht-materiellen Welt sinnvoll zusammenarbeiten, damit wir, als inkarnierte, menschliche Geistwesen unsere Erfahrungen machen, und aus eigener Schöpferkraft, Erkenntnis  und Entscheidung den Weg zum Licht finden können – zu unserem Besten und zum Besten allen Lebens.

Aus diesem Blickwinkel ist jede Erfahrung, auch die schmerzhafte,  ein Geschenk, das wir nutzen können, um uns weiterzuentwickeln, zu erkennen, wo wir noch in Gedanken der Trennung, des Urteils und der Materie festsitzen. Jede Krankheit, jeder Schicksals „schlag“ wird gesehen als Hinweis, dass das Leben, das Denken, Fühlen und Handeln verändert werden muss, damit es mehr dem Entwicklungswunsch der Seele entspricht. „Negative“ Dinge geschehen, um uns zu lehren. Sie sind, genau wie die positiven, der Beweis, dass die geistige Welt für uns da ist, mit uns verbunden ist. Dass unser Leben und unser Wohlergehen eine Bedeutung hat, dass wir wichtig sind. Oft fühlt es sich nicht gut an, aber alles was geschieht ist gut für uns, und bringt uns weiter. Und wie sollte Wohlgefühl, Glück, Freude erfahren werden, ohne die Gegenpole von Unglück, Angst und Trauer?

Im voll verstandenen schamanischen Weltbild gibt es keine unabhängige Instanz des Bösen, das uns Steine in der Weg legt, sondern nur wegweisende und hilfreiche Kräfte, die alle Möglichkeiten nutzen uns zu lehren, uns zu helfen, den Plan der Seele zu erfüllen und damit unserem göttlichen Selbst Schritt für Schritt näher zu kommen.

 

Diese Idee spiegelt sich in der indianischen Mythologie auf der Ebene der Krafttiere in der Persönlichkeit des Kojoten, des Tricksers. Er gilt als listiger Trickser, Zauberkünstler und zwiespältiges Wesen, das gerne neckt. Obwohl er eigentlich ein harmloser Schelm ist, so kann er auch ein listiger Gaukler sein, der äußerst erfinderisch und charismatisch ist. Man weiß nie, wann man ihm glauben kann und wann nicht. Viele Legenden ranken sich um den Kojoten und zeigen, dass der Kojote in der indianischen Mythologie eine zentrale Rolle einnimmt, indem er häufig anderen Streiche spielt und gerne Unruhe stiftet. Er lehrt durch das Erzeugen von Schwierigkeiten und das stellen von Fallen. Oft werden Menschen, in deren Leben der Kojote tritt mit Mitgefühl betrachtet, weil in den entsprechenden Völkern sofort klar ist: Oha, für den Betroffenen wird es jetzt schwierig. Die Wissenden behalten den Menschen im Auge, denn sie wissen, dass er vielleicht der nächste Führer, Heiler oder Medizinmann ist. Dazu fällt mir wieder ein Bibelwort ein:

Wen Gott liebt den prüft er. In meiner Übersetzung heißt das:

wenn meine Seele einen entsprechenden Entwicklungswunsch hat, so hilft mir Gott, der ja in allem vertreten ist, mein Ziel zu erreichen indem er mich herausfordert.

 

Wenn wir  weit getrennt von unseren Seelen und deren Plan sind, muss die geistige Welt (unsere eigene Seele, unsere Geisthelfer… Gott.....) zu zunehmend drastischen Maßnahmen greifen um uns aufzuwecken. Wir begreifen das oft als Angriffe, Ungerechtigkeiten, Erschwernisse, Ausdrucksformen des Bösen, …….. und machen uns die Sache damit schwerer, als sie sein muss

Da wir uns als Gesellschaft schon sehr weit verwickelt und verstrickt haben, muss, vielleicht mit Hilfe schamanischer Techniken, erst mal Raum für Veränderung geschaffen werden. Aber dann ist es Wichtig, die Sinnhaftigkeit des Geschehens zu verstehen, und entsprechende Veränderungsimpulse anzuregen.

 

Das wichtigste ist aber die geistige Einstellung:

Wenn ich in einer Welt der Verbundenheit beheimatet bin, kann ich alles wahrnehmen, ohne dass es mir Angst macht. Ich kann die Sinnhaftigkeit des Geschehens begreifen, und mich permanent weiter öffnen und entwickeln in Richtung auf mein göttliches Selbst!

Wie weit ich auf diesem Wege bin kann ich daran erkennen, wie ich mit meinem Alltag umgehe. Wie reagiere ich auf Schwierigkeiten, Konflikte, Herausforderungen aller Art. Wie gehe ich mit Verlust um, welche Rolle spielt Angst in meinem Leben. Wie interpretiere ich sogenannte Vorwürfe und Angriffe, wie groß ist mein Bedürfnis, mich vor etwas zu schützen?

 

 Aus den beschriebenen Gedanken und Erkenntnissen heraus                  haben sich meine Lebensregeln entwickelt

 

Lebensregeln

  • Gott ist in allem gegenwärtig und kann demzufolge in allem angesprochen werden
  • Die unbeeinflusste Natur spiegelt Gottes gesamte Weisheit wieder. Hier gibt es nichts falsches oder böses, sondern alles greift sinnvoll ineinander, um einen Lebensraum für alle bereit zu stellen
  • Alles was geschieht ist sinnvoll und in seiner Bedeutung erkennbar und verstehbar
  • Meine Welt entsteht durch mein Erleben der Welt, meinen Blick auf die Welt. Dieser ist gewachsen durch meine Vorerfahrungen (auch aus früheren Leben)  meine Konditionierungen, Traumatisierungen und Glaubenssätze. Meine Welt ist also subjektiv und entspricht meist nicht der objektiv beobachtbaren Wahrheit.
  • Alles, was in meiner Welt geschieht, hat mit mir zu tun, und muss demzufolge in mir bearbeitet werden. Also als gut und richtig anerkannt, als falsch erkannt und verändert, oder als überflüssig erkannt und losgelassen werden. Daraus folgt:
  • der erste Ansatzpunkt für Veränderung liegt in mir - ich bin der Schöpfer meines Lebens. Mein Denken, Fühlen und Handeln liegt wirklich in meiner Macht und ist von mir beeinflussbar und veränderbar.
  • Daraus folgt auch: alles was mir widerfährt und von mir vielleicht negativ bewertet wird, hat einen Sinn und will mir helfen, zu verstehen, was ich erkennen und verändern kann.
  • Die Welt ist also ein sinnvoller Ort, und das Leben ein Helfer, um mich weiter zu entwickeln. Das Leben selbst, und mein Erleben des Lebens ist der Motor meiner Entwicklung.
  • Auf diesem Hintergrund kann ich mir und dem Leben vollkommen vertrauen, da ich jedes Geschehen als sinnvoll erkenne, meine damit zusammenhängenden Gefühle und Gedanken zulasse, um dann zu verstehen worum es geht. Habe ich es verstanden bin ich frei
  • anzunehmen
  • loszulassen
  • zu verändern

 

  • Das nenne ich Freiheit!